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Die beste Alben im 1. Halbjahr 2013

Alles was sonst nirgends passt!

Die beste Alben im 1. Halbjahr 2013

BeitragAuthor: Tuxman » Fr 28. Jun 2013, 03:49

Eeeeeinenwunderschönengutentag, werte Freunde des angewandten Musikgenusses!

Ein Blick in meinen Kalender wies mich mahnend darauf hin, dass das erste halbe Jahr 2013 ja quasi vorüber ist. Das bedeutet, dass es (wie alle sechs Monate) Zeit ist für meine Rückschau der kaufenswertesten Musikalben 2013. Ich muss euch allerdings verschämt gestehen, dass ich einfach nicht die Zeit gefunden (oder mir genommen habe), allen Musikalben, die vielversprechend erschienen, genug Zeit zu geben, sich zu entfalten.

Dabei ist eines der bislang beachtlichsten Alben 2013 auch das wohl umstrittenste: Zu Heinos "Mit freundlichen Grüßen" hatte ich mich ja schon im Februar ausgelassen. Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob es ein Kandidat für die Top- oder Schrottliste ist; skurril und darum interessant ist es aber auf jeden Fall. Das gelang in diesem Jahr ansonsten nicht vielen Musikern.

Das neue Album "Everybody Loves Sausages" der Melvins, das so richtig Eier hat, ist leider ein Coveralbum und genügt daher meinen Ansprüchen für diese Liste nicht. Hören solltet ihr es natürlich trotzdem. Ansonsten ist von Dantes "November Red" bis zu dem Comebackalbum von My Bloody Valentine jede Menge vielversprechender Musik angefallen, die leider nicht ansatzweise meinem Qualitätsstandard genügen konnte.

Die Hauptliste ist daher mit gerade einmal neun Musikalben (plus gegebenenfalls Heino) diesmal deutlich kürzer als sonst, das erste Halbjahr 2013 gab eben einfach nicht viel her - dafür wird's am Ende des Jahres hoffentlich um so voller. Freut euch darauf!

Los geht's:

1. Kurz und gut.

  1. Steven Wilson - The Raven That Refused To Sing (and other stories) (Cover)
    "Here we all are born into a struggle / to come so far but end up returning to dust" (Luminol)

    Dass ich, Porcupine-Tree-Affinität hin oder her, mit der Solomusiziererei des Herrn Wilson nicht viel anfangen kann, ist altbekannt und hoffentlich verständlich. Viel zu sphärisch und zurückhaltend blubbert da die Elektronik aus den Lautsprechern, viel zu sanft und letztlich einschläfernd folgt er den Pfaden der frühen Pink Floyd, wie es auch Porcupine Tree anfangs taten.

    Insofern ist "The Raven That Refused To Sing (and other stories)" nicht nur einfach gut, sondern ein Überraschungstreffer. Wer indes der "Rabe" ist, weiß ich nicht. Steven Wilson selbst ist zumindest nicht gemeint, denn er weigert sich keinesfalls zu singen, was ich ansonsten bedauern würde, aber "The Raven..." - ich kürze das jetzt mal ab - ist, wie bereits erwähnt, recht großartig. Tatsächlich ist der Rabe aber ein Symbol für den Tod oder eine zumindest traurige Erinnerung.

    Das kann man anhand des tristen grauen artworks theoretisch bereits folgern, bekannt aber sollte Edgar Allan Poes Gedicht The Raven sein, das unter anderem von Lou Reed, Omnia und Alan Parsons musikalisch umgesetzt wurde und das diese Verbindung erstmals beschreibt. Alan Parsons ist es dann auch, der auf "The Raven...", gerade einmal 37 Jahre nach seinem eigenen "Raben", an einer der Gitarren zu hören ist und Steven Wilson bei der Produktion des Albums unterstützte. Vielleicht ist das alles aber auch nur ein Zufall.

    Andererseits ist "The Raven..." durchaus mit Bedacht konzipiert worden. Jedes der sechs Stücke basiert auf Geschichten aus dem Supranaturalismus, es geht also in jedem der Stücke textlich um Geister. Entsprechend getrübt ist die Grundstimmung; dabei vergisst es Steven Wilson aber nicht, den Hörer immer wieder aus der Beklemmung zu befreien.

    Nicht alles an "The Raven..." ist neu. Der longtrack Luminol etwa wurde bereits auf der Tour zum Vorgängeralbum "Grace For Drowning" gespielt. Nie kam Steven Wilson seinen eigenen Vorbildern King Crimson - neben Pink Floyd, versteht sich - so nahe wie hier: Ein treibender Bass und Theo Travis' Flöte lassen Kenner des Canterbury Sound aufhorchen, dazu ist ein Mellotron zu hören. Unvermittelt setzt mehrstimmiger Gesang ein, der ebenso unvermittelt wieder endet und so den Beginn eines längeren Instrumentalteils markiert, der gegen Ende wieder das Thema vom Anfang aufgreift und nach etwa viereinhalb Minuten in einen ruhigen Teil mündet, der mit Klavier und beatlesquem Gesang ebenso von King Crimsons "Islands" stammen könnte. Nach wiederum vier Minuten erfolgt eine weitere Zäsur, Mellotron und Schlagzeug steigern sich bis fast zur Explosion und verklingen, bis Luminol mit dem ursprünglichen Thema schließlich endet. Habe ich schon King Crimson erwähnt?

    Einzelne Elemente dieses Beispiels ziehen sich durch alle Stücke auf dem Album; das beschauliche The Watchmaker steht so wie selbstverständlich neben dem offensiv rockenden The Holy Drinker. Wer wie ich bislang der Meinung war, von Steven Wilson hätte er schon alles irgendwann mal gehört, könnte hier eine positive Überraschung erleben. Zu empfehlen ist's jedenfalls ohne jedwelches Aber.

    Hörproben:
    Auf YouTube gibt es zurzeit eine großartige Liveversion von Luminol zu bestaunen, das vollständige Album ist unter anderem per Grooveshark streambar. Falls euch die Kurzform genügt: Amazon.de wurde mit den üblichen kurzen Ausschnitten bestückt.


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  2. Eels - Wonderful, Glorious (Cover)
    "If you're not ready then you better get out now!" (Bombs Away)

    "My hovercraft is full of eels" - dieses Zitat der britischen Komiker Monty Python sollte bekannt sein. So schlimm ist das aber gar nicht, denn wenn Aale so interessante Musik machen wie Eels auf "Wonderful, Glorious", dann kaufe ich mir sofort ein Luftkissenfahrzeug.

    Blöde historische Referenzen aber mal beiseite gelassen - mit Monty Python haben Eels tatsächlich nicht viel zu tun. Glaubt man den Aussagen von Bandgründer Mark Oliver Everett, der seine Soloalben zur Zeit der Gründung bereits seit Jahren unter dem Künstlernamen E veröffentlichen ließ, so wurde der Name gewählt, um die Alben der Band im Schallplattenladen möglichst nahe an seinen eigenen stehen zu haben. Es wurde nicht bedacht, dass Earth, Wind & Fire sowie die Eagles das Alphabet klar auf ihrer Seite hatten. Nun, Eels ist ja trotzdem ein schöner Bandname.

    Dem Mythos um die Entstehung des Namens sei's verziehen, dass weder Earth, Wind & Fire noch die Eagles musikalisch viel mit Eels gemeinsam haben. (Einen Saturnmitarbeiter stört so was erfahrungsgemäß übrigens nicht im Geringsten.) Eels machen stattdessen so genannten "Indie-Rock" par excellence. Ich bin durchaus willens, "Wonderful, Glorious" als bestes mainstream-Album des bisherigen Jahres zu betrachten, immerhin geben sich die Musiker nicht viel Mühe, den Vorwurf der Radiokompatibilität zu entkräften. Dennoch: "Wonderful, Glorious" ist genau an den richtigen Stellen rau genug, um anzuecken.

    Da wäre etwa New Alphabet zu nennen. Im Zentrum des Albums setzt es mit seiner Lo-Fi-Ästhetik nach Art der Dandy Warhols einen starken Kontrast zu der Klavierballade The Turnaround und dem stilistisch (wenn auch nicht musikalisch) an den Punk (und mehr noch an Frank Zappa) angelehnten Stück Peach Blossom, von dessen intensiv wiederholtem Refrain ("Open the window, man, to smell the peach blossom / the tiger lily, the merrygold", viel mehr Text gibt es nicht) ich eine Weile einen Ohrwurm hatte. Störend, so was!

    Man stelle sich solche Zeilen überdies nicht sanft gesäuselt, sondern affektiert gerufen (fast: gerappt) vor, während im Hintergrund die Gitarre knarzt und Klavierklänge sie begleiten. Vielleicht sollte man Eels weniger ernst nehmen und versuchen, Spaß an dem zu finden, was sie hier darbieten. Dabei hilft es, dass man die unterschiedlichen Einflüsse leicht auseinanderhalten kann. Von Simon & Garfunkel (I Am Building A Shrine) über The Velvet Underground oder ihre Zöglinge (New Alphabet) bis zu John Lennon (The Turnaround) reicht die Spanne der von jedenfalls mir spontan assoziierten Vergleiche.

    Julian Schmitz schrieb zutreffend:

    Es ist dieser herrliche Wechsel zwischen schnarrenden, treibenden Beats und zwischendurch viele unerwartete Dynamikwechsel, locker-leichte Frühlignssynthiesounds (sic!), die einen hoffnungsvoll und gut gelaunt gen hellere Tage blinzeln lassen.


    "Sommeralbum" ist eigentlich ein Wort, das ich zu meiden versuche. Bei "Wonderful. Glorious" fällt mir das aber gar nicht so leicht. Darum breche ich hier mal ab und überlasse euch den Rest.

    Hörproben:
    Bei einem Musikalbum, das so heterogen wie "Wonderful, Glorious" ist, ist das mit den Hörproben schwierig. Interessant ist vielleicht das Musikvideo zu Peach Blossom, ansonsten sind natürlich auch ein Grooveshark-Stream und Amazon.de-Hörproben verfügbar.


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  3. The Joy Formidable - Wolf's Law (Cover)
    "I think I understand / that past is circling" (Tendons)

    Erinnert ihr euch an The Joy Formidable? Ihr 2011 erschienenes Debütalbum "The Big Roar" sortierte ich damals als "Artpop, Indie-Rock, Grunge, irgendwie so Alternative" ein und legte euch ans Herz, dieses Album zu hören. Wenn der Tipp euch damals Freude bereitete, dann passt jetzt mal kurz auf: "Wolf's Law", das neue Album der Waliser (erschienen im Januar 2013), ist keineswegs schlechter.

    So weit liegen die beiden Alben auch zeitlich nicht auseinander. Weite Teile von "Wolf's Law" wurden bereits während der zwölfmonatigen Tour zu "The Big Roar" geschrieben. Erst großes Getöse, nun das Gesetz des Wolfs - die Wildnis hat's The Joy Formidable anscheinend angetan.

    Allzu wild ist jedoch auch "Wolf's Law" nicht. Vielmehr werden bekannte Stärken beibehalten und perfektioniert.

    Es fängt harmlos mit Streichern an, die sich als Einführung in so ein Album immer gut machen. MTV-Seher wissen, was gemeint ist. Dann: Gitarrengeschepper. Schön. This Ladder Is Ours: Gitarrenlastiger Mainstream-Indie-Rock, der jeden Applaus verdient. Auf Pitchfork werden auch schon mal New Order und die (allerdings grauenvollen) Muse als Vergleiche herangezogen. Schon wieder Indie-Rock! "Aber du magst doch sonst keinen Mainstream?!", höre ich euch nun wieder unken. Stimmt, weil Mainstream meistens lahm ist. "Wolf's Law" ist aber nicht lahm.

    Was ist das "Wolfsgesetz" eigentlich? Laut dem Cover wohl: Tod des Wolfs. Ein Wolf liegt tot am Boden, Blumen liegen auf ihm (oder wachsen sie aus ihm?). Gesund ist das nicht. Ganz anders The Joy Formidable, die so lebendig wirken wie nur wenige Bands. Gelegentlich denke ich an Blondie, manchmal auch an die neueren Eatliz. Jochen König spricht von "Konsens-Pop, der nicht schmerzt, sondern das Herz erwärmt und ein Lächeln ins Grinsegesicht zaubert", und meint das wahrscheinlich nicht mal böse.

    Zugegeben, der Anfang des Albums ist, verglichen mit dem Vorgänger, trotz all der Großartigkeit ein wenig belanglos. Die Qualität steigt aber mit ansteigender Liednummer. Little Blimp (Lied Nummer 4) groovt mit dominantem Bass nach vorne, die Ballade Silent Treatment (6) ist mit ruhiger Gitarre und ebensolchem Gesang sozusagen die Ruhe vor dem Sturm. Dieser Sturm heißt Maw Maw Song und fasst das Album schon vor seinem Ende umfassend zusammen: Kopfnick-Refrain, scheppernde und quirlige Gitarren, Ritzy Bryans stets begeistert klingende Stimme, begleitet "maw, maw" im Refrain. Miau, miau. - Eigentlich genügt es, Maw Maw Song zu kennen, um dieses Album für großartig zu halten; und das mit Recht!

    Zum Abschluss dann The Turnaround, eine neuneinhalbminütige Streicherballade, die sich nach sieben Minuten zu steigern beginnt und in einem fulminanten fast instrumentalen Finale endet, gleichsam als Verbeugung vor dem applaudierenden Publikum (also jedenfalls mir). Dieses Finale wurde bereits im August 2012 als Lied namens Wolf's Law im Internet veröffentlicht, um den Hörer auf das Album vorzubereiten. Das ist ziemlich gut gelungen.

    Die letzten Textzeilen auf "Wolf's Law" lauten: "Don't wait, let's go, go, go". Das Ende dieses Albums ist nur der Aufbruch zum nächsten. Die Reise wird sicher spannend, ich bin dabei. Ihr auch?

    Hörproben:
    Auf YouTube gibt es unter anderem eine qualitativ gerade noch akzeptable Liveversion vom Maw Maw Song zu sehen und zu hören, das ganze Album ist per Grooveshark sowie in 30-Sekunden-Schnipseln auf Amazon.de anzuhören.


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  4. Henry Fool - Men Singing (Cover)

    Henry Fool ist der Name eines Actionfilms von 1997 sowie der Hauptfigur in diesem Film, die auch im Folgefilm "Fay Grim" mitspielt. Im Jahr 2001, also zumindest nach dem gleichnamigen Film, erschien das Debütalbum der Musikgruppe wiederum gleichen Namens, auf dem unter anderem Tim Bowness (unter anderem no-man) an Mikrofon und Gitarre zu hören war. Zwölf Jahre später heißt das aktuelle Album von Henry Fool irritierenderweise "Men Singing", obwohl Tim Bowness gar nicht mehr singt.

    Ja, "Men Singing" ist ein Instrumentalalbum. Die Besetzungsliste kann sich sehen lassen: Außer Tim Bowness sind unter anderem auch sein regelmäßiger musikalischer Partner Peter Chilvers, der gelegentlich auch mit Brian Eno zusammen musiziert, Myke Clifford, Saxophonist bei The Pink Floyd Dimension, und Jarrod Gosling, der sich in jüngerer Zeit vor allem mit The Human League und I Monster zusammengetan hatte. Zwei der vier Stücke veredelt Gastmusiker Phil Manzanera (Roxy Music) mit seiner Gitarre, der zweite Gast Steve Bingham (Violine) hat wiederum jahrelang Erfahrung mit der no-man-Liveband gesammelt. Im Wesentlichen ist Henry Fool also ein Projekt von Tim Bowness und seinen Wegbegleitern.

    Das klingt nun wie Billy Sherwood, der in jedem seiner ungezählten Bandprojekte (Circa:, zeitweise Yes und einige weitere) den Ton maßgeblich angab und angibt, aber das Ergebnis ist ein viel besseres. Thomas Kohlruß paraphrasierte:

    (...) wenn man sich eine Melange aus psychedelischer Soft Machine, pinkfloydesken Porcupine Tree, einem Schuss David Sylvian, 80er-Jahre-Wave-Crimson, den ProjeKcts, leichten Postrock-Einflüssen und Minimal Music vorstellen kann, dann ist man schon irgendwie in der Welt von „Men Singing“, entspannend spannend!


    Gelegentlich ist Musik wie diese auf dieser Internetpräsenz ja auch schon mal Thema, "Tank" von Kreidler etwa fand hier bereits im Juni 2011 lobende Erwähnung. "Men Singing" stößt in ein ähnliches Horn, eignet sich jedoch weniger zur Hintergrundbeschallung. Wer hier nicht aufpasst, verpasst wahrscheinlich vieles.

    Auch die Fachwelt (sprich: Musikjournaille) ist begeistert von "Men Singing". Es passiert tatsächlich oberflächlich nicht viel, aber die Atmosphäre, die auf "Men Singing" eingefangen wurde, sucht sicherlich ihresgleichen. Freunde der gitarrenlastigen Rockmusik sind hier wahrscheinlich unterfordert; wer aber die genannten Vergleiche schätzt, dem sollte "Men Singing" zusagen. Ich jedenfalls mag es.

    Hörproben:
    Alle vier Stücke lassen sich auszugsweise auf Amazon.de hören, auf YouTube ist ein Stop-Motion-Video zu Everyone In Sweden zu sehen.


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  5. Motorpsycho - Still Life With Eggplant (Cover)

    Das norwegische Trio Motorpsycho erweist sich auch nach 24 Jahren weiterhin als recht aktiv. Dem jazzdominierten Album "The Death Defying Unicorn", meinem Album des Jahres 2012, folgt nun mit nicht einmal einem Jahr Abstand das inzwischen sechzehnte Studioalbum "Still Life With Eggplant". Das zugrunde liegende Material entstammt teilweise Entwürfen, die wegen der Kollaboration mit Ståle Storløkken vorübergehend zurückgestellt wurden. Ein Orchester ist diesmal auch nicht dabei.

    Die Jazzanteile auf "Still Life With Eggplant" wurden konsequent (wieder) deutlich zurückgefahren, von Anfang an ist die Gitarre ein starkes Instrument, der druckvolle Bass trägt seinen Teil bei. Dies ist Rock.

    Das ist auch dann Rock, wenn Motorpsycho ihr Bestes geben, ihn zu tarnen. Da wäre etwa der longtrack Ratcatcher (17:11 Minuten), der leider ein wenig uninspiriert und bluesig vor sich hinplätschert, bis er nach einigen Minuten deutlich an Tempo und Intensität gewinnt. Der durchschnittliche Rockfan hat da schon längst weitergeschaltet, der Progressive-Rock-Freund hingegen lauscht gebannt jeder neuen Nuance. Warum sollte Rock auch immer in das Drei-Minuten-Korsett der öffentlich-rechtlichen Radioanstalten passen müssen?

    Und sonst? "The Afterglow". Ist das Oasis? Zumindest ist es 60er-Beatpopirgendwas. (Also wiederum Oasis.) Der rockige Teil nach drei Minuten und zwanzig Sekunden ist überragend. Beim Gesang muss ich gerade in diesem Stück oft an John Lennon denken, aber das ist ja durchaus auch nichts Schlechtes.

    Apropos "nicht schlecht" beziehungsweise apropos "eclipsed": Dort schrieb Wolf Kampmann im Mai 2013 über "Still Life With Eggplant":

    "Still Life With Eggplant" ist eine Compilation der besten Songs, die Motorpsycho niemals aufgenommen haben. Die Band hangelt sich durch ihre gesamte Geschichte mit semi-akustischen Balladen, saftigen Sleaze-Krachern und monumentalen Kraftpaketen.


    Keine Einwände!

    Hörproben:
    Amazon.de hat Ausschnitte vom Album in 30-Sekunden-Länge zum Anhören. Tut dies zahlreich!


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  6. Daymoon - Fabric of Space Divine (Cover)
    "Let there be life!" (Seed of Complexity)

    Es gibt auch Neues von der US-amerikanisch-portugiesischen Regressive-Rock-Institution Daymoon. Nach dem überragenden Debütalbum "All Tomorrows" ergaben sich einige Änderungen im Privatleben von Frontmann Fred Lessing wie auch in der Besetzung. Entsprechend lange haben die Aufnahmen gedauert.

    Fred Lessing begann nach eigenem Bekunden bereits 2002 mit den Aufnahmen für "Fabric of Space Divine". Das Album hatte also viel Zeit zu reifen. Es basiert auf der Arbeit von Stephen Baxter, einem von ihm bewunderten englischen Science-Fiction-Autor, und erzählt im Wesentlichen die Geschichte des Universums (gemäß den liner notes "hintergründig missverstanden von Fred Lessing") von seinem Anfang bis zu seinem Ende. Das Album wurde über die Jahre immer weiter verfeinert und schließlich ab 2010 vom neuen Schlagzeuger André Marques produziert. Vom Debütalbum geblieben ist nur besagter Fred Lessing, alle anderen Bandmitglieder wurden zwischen 2009 und 2011 ausgetauscht. Dass das den musikalischen Stil umwirft, ist wenig überraschend.

    So beginnt (Singularity to Sol) es mit Spacerockzirpen, das in einen mit wenigen Canterburyelementen verfeinerten Spacerockteil übergeht. Gelegentlich ist er noch da, dieser Yes-Moment, aber er schwand zugunsten einer mir bis dahin noch nicht begegneten Herangehensweise an das Weltraumthema. Am Ende zum ersten Mal Gesang: "Let there be light!" Schön.

    Dann: Seed of Complexity. Hier taucht zum ersten Mal der Titel des Albums auf, der sich wie ein roter Faden durch das Album zieht. Musikalisch herrscht hier weitgehend unauffälliger AOR vor, gelegentlich zumindest begleitet von interessanten RIO/Avant-Effekten. Ganz anders Beyond Nature, das uns olle Ärzte-Fans zuerst an "Die Bestie in Menschengestalt" erinnert (zumal auch der Gesang Bela B. recht nahe kommt), dann aber erkennt man den Krautrock, Stilrichtung world music mit indischem touch, yeah. Der verstörende (kreischende) Hintergrundgesang ist ein hörenswerter Kontrapunkt.

    Interessant ist auch Beyond Trinity, eine Klavierballade im ungefähren Stil von Elton John. Der Gesang ist aber schlechter. - Ja, der Gesang, die alte Schwachstelle von Daymoon. Es gibt viel Gesang auf "Fabric of Space Divine", nur wenige Stücke kommen ohne ihn aus. Andererseits hat Fred Lessing zumindest etwas besser singen gelernt, oft fügt sich der Gesang gut in die Musik ein.

    Aber was wird eigentlich gesungen? Vor allem viel Religiöses. So heißt es etwa in Beyond Multiplicity:

    La ilahe illa allah, jamal of God we sing
    La ilahe illa allah, jalal of Allah we sing


    Natürlich: Wer die Geschichte des Universums erzählt, der sollte auch religiöse Bewegungen nicht auslassen. Dass Fred Lessing sich selbst als "überhaupt nicht religiös" bezeichnet (und sich dafür unnützerweise entschuldigt), werte ich positiv. Also, wie gesagt, der Gesang ist die Schwachstelle auf diesem Album.

    Wer darüber hinwegsehen kann und nichts gegen Spacerock mit Stilwechseln und ohne große Ecken und Kanten hat, der sollte "Fabric of Space Divine" eine Chance gewähren. Fest steht jedenfalls: Daymoon schaffen es bislang, sich auf jedem Album neu zu erfinden. Mal sehen, wohin die Reise führt - dieses Jahr jedenfalls ins Weltall.

    Hörproben:
    Ach was, warum mit Proben zufriedengeben? "Fabric of Space Divine" gibt es in voller Länge per Bandcamp zum Streamen und Kaufen. Das verdient Applaus.


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  7. Carpet - Elysian Pleasures (Cover)

    Carpet. Teppich. Blöder Name. Andererseits ist Bandgründer Maximilian Stephan, der für das zweite Carpet-Album drei weitere Musiker an Bord geholt hat, ja für blöde Bandnamen bekannt: Seine andere Band heißt dear john letter (Schreibweise variierend) und wurde für ziemlich großartigen, atmosphärischen Postrock bekannt. Auf "Elysian Pleasures" ist auch Schlagzeuger Jakob von ebendort zu hören. (Dass "Elysian Pleasures" ein aufwändig gestaltetes Coverbild spendiert bekommen hat, das nur im Vinylformat richtig zur Geltung kommt, versteht sich da eigentlich von selbst.)

    Man möge mir verzeihen, wenn die personellen und sonstigen Überschneidungen treue Leser meiner Rezensionen nun auf eine falsche Fährte locken: Postrock ist hier nicht zu finden. Stattdessen wird in den 70-ern gestochert: Post-Beatles-Beat (For The Love Of Bokeh), Canterbury-nahe Bläserklänge (Smoke Signals) und atmosphärischer Rock (Man Changing The Atoms mit, immerhin, einer gefälligen Lärmkaskade gegen Ende des Stücks) treffen hier aufeinander und ergeben ein interessantes Zusammenspiel. Etwas bedauerlich ist, dass der Gesang in den beigemischten Effekten beinahe zu ertrinken scheint; das tut dem Gesamteindruck aber keinen nachhaltigen Schaden an.

    Im Magazin "eclipsed" ("alles, was das letzte halbe Jahrhundert Rockmusik ausgemacht hat, findet sich auf diesem Album wieder") war man geradezu überschwänglich begeistert von "Elysian Pleasures"; halbwegs auf dem Boden bleibt jedenfalls Peter auf Schallgrenzen.de:

    “Elysian Pleasures” ist, im Gegensatz zum eher eher ambienten, experimentellen Debüt, eine durchaus handfeste Veranstaltung. Zu hören gibt es nämlich treibenden Rock zwischen Psychedelic und Progressive. Aber auch eine immer wieder durchschimmernde subversive Jazz-Note gefällt mir sehr gut. Summa Summarum: Zeitsturz in die späten Siebziger. Schöne progressive Tütenmusik inklusive Orgel.


    Etwas weniger Hall täte, wie schon erwähnt, dem Album gut, aber irgendwas ist ja immer. Freunde der eher entrückten Musik der 1970-er Jahre sollten es aber auf keinen Fall versäumen, sich mit "Elysian Pleasures" zu beschäftigen.

    Hörproben:
    Auch "Elysian Pleasures" ist vor dem Kauf komplett per Bandcamp streambar.


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  8. Shining - One One One (Cover)
    "I do not fight back, I paint the sky black" (Paint The Sky Black)

    Metalfreunde kamen bis hierhin etwas weniger auf ihre Kosten. Aber auch für sie hat das Jahr 2013 schon einen Schatz zu bieten, nämlich "One One One" von Shining (der norwegischen Metalband, nicht der schwedischen Metalband gleichen Namens).

    "Metalband" ist vielleicht etwas kurz gegriffen. Obwohl "One One One" - "Six Six Six" wäre zu plump - beim ersten Reinhören sehr, sehr gut und vor allem sehr, sehr laut klingt, liegen die Wurzeln der Band im Jazz. Geblieben ist die Lust am Experimentieren, die schon auf dem Vorgängeralbum - oder ist es ein ganzes Genre? - "Blackjazz" (2010), auf das im Titel Blackjazz Rebels nochmals Bezug genommen wird, nur schwer zu überhören war. Shining mischen auch auf "One One One" Black Metal, Nu-Metal (etwa My Dying Drive) und Avantgardistisches wie merkwürdige Klangsequenzen dort, wo andere Metalbands vielleicht ein Gitarrensolo platzieren würden, zu einer beachtlichen Kombination (auf musikreviews.de und anderswo ist von "Jazz-Metal" die Rede, was eben ungefähr so hilfreich ist wie "Schlagerpunk", aber sei's drum) zusammen, die trotz allem auch uns Freunde des Schönklangs dazu einlädt, die Texte mitzubrüllen. Wirklich schade, dass ich gerade kein Textbuch zur Hand habe.

    Und ein wenig Jazz ist ja dann auch noch da: How Your Story Ends etwa beginnt mit Solosaxophon von - wahrscheinlich - Frontmann Jørgen Munkeby, der, wenn er gerade nicht bläst, bevorzugt brüllt und Gitarre spielt. So ein wenig Klischee muss ja schon sein. Das Saxophon als Metalinstrument erzielt zumindest eine interessante Wirkung, gerade in den etwas lauteren Teilen. Natürlich hat das mit Metallica weniger zu tun als mit Marduk, weniger mit Tool als mit einer satanistischen Kultmesse. Wer Metal nur aus dem Radio kennt, den könnte "One One One" also eventuell überfordern. Aber das Ziel jedes Musikfreundes, liebe Leser, sollte es stets sein, seine Grenzen (eben seinen Horizont) kennenzulernen und beständig zu erweitern.

    Natürlich ist das nur Modellpflege und kein radikaler Umbruch. Warum auch? Dieses Niveau dürfen Shining gern noch ein paar Jahre lang halten.

    Ich finde Metal doof. "One One One" finde ich aber überhaupt nicht doof. Ihr solltet es mir gleichtun.

    Hörproben:
    Amazon.de lässt euch für jedes Stück dreißig Sekunden Zeit.


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  9. Sigur Rós - Kveikur (Cover)
    "Við skerum á / augnaráð / nú stingur í / ofbirta" (Brennisteinn)

    Kommen wir nun zu etwas völlig Anderem (als Metal). Gerade noch rechtzeitig erreichte mich "Kveikur", das neue Album der isländischen Postrockband Sigur Rós. Wer aber dachte, er wüsste, was ihn erwartet, der hat sich getäuscht. Nach einîgen vertonten Traumwelten und der Hinwendung zur beinahe fröhlichen Popmusik auf "Takk..." und "Með suð í eyrum við spilum endalaust" ging es mit "Valtari" wieder zurück zum "Dreampop" (Zitat: Wikipedia - ich finde Genres immer noch bescheuert) der früheren Alben.

    Aber "Kveikur"?

    Die Verpackung des Albums ist in Schwarz-Grau gehalten. Texte gibt es nicht. Innen sind mit schwarzbrauner Farbgebung merkwürdige Fantasieszenen gezeichnet, versehen mit wenigen roten Flecken. Eine große Krallenhand kommt von oben rechts und schießt auf Baumstümpfe. Merkwürdig, aber bezeichnend für "Kveikur". Nachdem zum Jahreswechsel 2012/2013 der Keyboarder Kjartan "Kjarri" Sveinsson sich aus vermutlich familiären Gründen aus der Band verabschiedet hatte, ist "Kveikur" das erste Album, das Sigur Rós als Trio veröffentlichten; dies obendrein bei einer neuen Plattenfirma, namentlich XL Recordings. Wie bei den meisten Bands (etwa auch Van der Graaf Generator, "Trisector") ist damit ein klanglicher Wechsel verbunden.

    Das erste Adjektiv, das mir zu "Kveikur" einfällt, ist: Dunkel. Der Postrock ist zu Hause angekommen. Nie klangen Sigur Rós so sehr nach God Is An Astronaut wie auf diesem Album. Das bedeutet nicht, dass es an Eigenständigkeit fehlt; etwa Ísjaki und Yfirborð knüpfen an alte Erfolge an. Neu sind Stücke wie Brennisteinn und das Titelstück Kveikur: Getrieben von allerlei elektronischen Spielereien und dröhnendem Bass und mit weniger sanftem Gesang und weniger monotonem Schlagzeug als noch auf "Með suð í eyrum við spilum endalaust" wirken sie beinahe aggressiv und hektisch. Das ist gut! (Wenn ich nur die Texte verstünde!) "Kveikur" klingt mit dem instrumentalen Quasiklavierstück Var dann aber doch noch standesgemäß aus.

    Zumindest Brennisteinn (auf Deutsch "Schwefel", was irgendwie passt) ist aufmerksamen Musikfreunden indes schon lange live bekannt, eine hervorragende Liveversion etwa ist auf YouTube zu sehen. Wenn das aber die neuen Sigur Rós sind, dann: Gern mehr davon!

    Hörproben:
    Auf YouTube - im Text verlinkt - gibt es ziemlich gute Liveaufnahmen zu hören, auf Amazon.com gab es kurzzeitig das ganze Album als Stream. Wer es verpasst hat, der kann dies per Grooveshark (plus zwei Bonusstücke) nachholen oder sich mit den kurzen Ausschnitten auf Amazon.de zufrieden geben.

Waren das schon neun? Oh, ja, das waren schon neun.

Aber es gab doch schon so viel gute Musik 2013, sagen die Medien! - Ja, die Medien. Die Medien hypen eine Menge furchtbaren Scheiß. Wollt ihr wissen, was ich meine? Nun, zum Beispiel folgende Musikalben:

2. Immer noch viel zu lang.


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  • Villagers - Awayland
    Eine müde, kraftlose Variante des immergleichen Mando-Diao-Aufgusses.


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  • My Bloody Valentine - m b v
    Peter ist der Ansicht, man könne sich das hier schönsaufen. Ich melde Bedenken an.


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  • Jacco Gardner - Cabinet Of Curiosities
    Beatlesquer Einschlaf-Weichspülpop.


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  • Long Distance Calling - The Flood Inside
    Die einstmals überragende Postrockband hat sich einen scheußlichen Sänger an Bord geholt. Graus!


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  • Lifesigns - Lifesigns
    Melodic Rock für Anfänger und Hausfrauen.


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  • Mr Averell - Gridlock
    Tolle Besetzung, grauenhafte Umsetzung.

Ihr merkt, Qualität und Quantität unterscheiden sich mitunter stark. Nie wurde so viel Musik produziert wie heute, nie kam so viel Schrott dabei heraus. Wie anders doch frühere Jahrzehnte!

Zum Abschluss des diesjährigen Zwischenberichts machen wir also erneut eine Zeitreise durch die Musikgeschichte:

3. Und viel zu lang ist's her.


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  1. Vor 40 Jahren:
    Genesis - Selling England by the Pound

    1973 begann der Progressive Rock sich voll zu entfalten. Der Canterbury Sound hatte mit "Camel" (Camel) und "For Girls Who Grow Plump in the Night" (Caravan) seinen großen Auftritt, in Frankreich setzten Magma mit "Mekanïk Destruktïw Kommandöh" alles auf eine Karte (und gewannen). In Großbritannien wetteiferten derweil zwei völlig unterschiedliche Musikgruppen um die Gunst des Publikums: Die 1966 gegründeten 10cc vereinten auf ihrem endlich erschienenen Debütalbum Artrock und Progressive Rock zu einer überzeugenden Melange, die ihnen eine Bekanntheit einbrachte, angesichts derer es eigentlich verwunderlich ist, dass man ihren Namen gemeinhin nicht als Allgemeinwissen betrachtet, ganz im Gegensatz zu dem ihrer Landsmänner von Genesis, die im gleichen Jahr mit "Selling England by the Pound" das vorletzte Album mit Peter Gabriel veröffentlichten (leider darf Phil Collins hier auch schon singen). Trotz Liedtiteln wie The Battle of Epping Forest und Dancing with the Moonlit Knight treten hier jedoch die mystischen Texte früherer Alben zugunsten gesellschaftskritischer Alltagsbeobachtungen zurück. Einen ähnlichen Wandel haben im gleichen Jahr übrigens die wieder vereinten King Crimson auf "Larks’ Tongues in Aspic", dem ersten Studioalbum ohne Texter Peter Sinfield, vollzogen. Der Wandel zur radiotauglichen Poprock-Schlagergruppe jedoch dauerte bei Genesis noch eine Weile.


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  2. Vor 30 Jahren:
    Marillion - Script for a jester's tear

    Ein Jahrzehnt später war dieser Wandel abgeschlossen. Auf dem Album mit dem selten dämlichen Namen "Genesis" (kommt schon, Jungs, als Debütalbum ist so was in Ordnung, aber doch nicht für's zwölfte!) ist außer grauenvollen Collins-Schnulzen mit Bumm-Tschack-Schlagzeug (That's All) zumindest auch Mama zu finden. Teuflisch lachen kann er ja, der Phil Collins; wenn da eben nur nicht die anderen Lieder auf dem Album wären! Besser machten es Marillion, die mit "Script for a Jester's Tear" mittels der Rückbesinnung auf die Tage, als Genesis noch den Mut hatten, mit Konventionen zu brechen, einen der Grundsteine für das neue Genre des "Neo-Prog" legten. Ein wirklicher longtrack fehlt auf dem Album, der wurde indes bereits im Vorjahr als B-Seite der Single Market Square Heroes veröffentlicht. Dieses Stück (Grendel) wird heute als das Supper's Ready der 1980er Jahre gehandelt, und tatsächlich waren Marillion nicht schlecht darin, ihren Vorbildern nachzueifern. Im dunklen Plastikjahrzehnt war tatsächlich auch außerhalb des mainstreams einiges möglich. Dass Marillion mit Kayleigh einige Jahre später einen Poprockhit in den Hitparaden hatten, soll diesen Erfolg nicht schmälern.


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  3. Vor 20 Jahren:
    Nirvana - In Utero

    Weniger rosa sah es für den Progressive Rock dann 1993 aus. Marillion wandelten sich mit ihrem neuen Sänger Steve Hogarth dem New Artrock zu (und machten damit immerhin nicht den gleichen Fehler wie Genesis), in Deutschland kämpften Die Fantastischen Vier mit dem drogenschwangeren "Die 4. Dimension" und Die Ärzte mit ihrem Comebackalbum "Die Bestie in Menschengestalt" um die Gunst der Jugendlichen. Diese gewann jedoch ein depressiver US-Amerikaner letztlich für sich: Nirvanas letztes Studioalbum "In Utero" war auch ihr bestes. Verglichen mit dem Vorgängeralbum "Nevermind" (dem mit dem nackten Kleinkind vorne drauf) sind Nirvana hier noch aggressiver und experimenteller geworden. Dass MTV der Band dennoch regelmäßige Werbung verschaffte, stimmt mich ein bisschen traurig, denn heutzutage nimmt MTV einen Musiker ja anscheinend nur noch ernst, wenn er langweilige Liebesscheiße ins Mikrofon heult. Nun ja. - Ein Problem stellte anscheinend nur Rape Me ("Vergewaltige mich") dar, das sich in den USA, wie zu erwarten, diversen Beschneidungen und Verboten unterziehen lassen musste. Dass mit den anderen Liedern, etwa Milk It ("Look on the bright side is suicide"), niemand eine Schwierigkeit zu haben schien, ist dann doch etwas seltsam. "In Utero" jedenfalls ist aufgrund seiner Rauheit bei gleichzeitigwer Kontroversität das Nirvana-Album, das man am ehesten kennen (und schätzen) sollte. Ab und zu sollte man es vielleicht auch mal wieder MTV vorspielen, vielleicht nehmen sie ja irgendwann wieder Vernunft an.


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  4. Vor 10 Jahren:
    Ektroverde - Ukkossalama

    Es ist ja auch nicht so, dass die Menschen nicht lernfähig wären. Sie wollen nur einfach selten. Andererseits versetzte sie das neue Jahrtausend offenbar in Aufbruchstimmung, und so schossen ab dem Jahr 2000 weltweit viele Musikgruppen schier aus dem Boden, die sich als kompromisslose Anhänger der alten Heroen präsentierten. Aus Spanien etwa kommt das selbstbetitelte Album der Combo Psicotropia, die trotz der Gitarrenfrickeleien im Stil Robert Fripps wohl auch Mr. Bungle, Primus, Tool, Muse und nicht zuletzt Frank Zappa aufmerksam gelauscht hatten. Ganz anders dagegen Ektroverde, ein Nebenprojekt der umtriebigen Finnen Circle, das mit "Ukkossalama" sein bis heute letztes Lebenszeichen vorgelegt hat. Das hat es aber in sich: Hier wird wild gejammt, spacig-neokrautig-postrockig, mitunter auch jazzig-rockig, treibend, hypnotisch, laut und sperrig, dabei aber auch seltsam entspannt und gemächlich. Dass überdies mal englischer, mal finnischer (Sprech-)Gesang ertönt, versetzt den Hörer dann endgültig in Verwirrung. Was ist das gerade? Natürlich hat das alles keine Struktur, keinen Rhythmus. Assoziation? Can. Freiformmusik, wie sie eindrucksvoller nicht sein könnte, sozusagen Circle ohne das dort ohnehin schon recht locker sitzende Strukturkorsett. Insgesamt dreizehn beteiligte Musiker können so ein Konsumentenhirn ziemlich auf Trab bringen. Was bleibt von Ektroverde? Vorerst: Circle hören. Das ist zu verschmerzen. Aber vielleicht kommen sie zurück, und das wird sicher grandios.

Nun, ich bin am Ende. Ich danke euch für die Aufmerksamkeit.

Wenn ihr noch ein Musikalbum kennt, das ich hier eurer Meinung nach hätte aufführen sollen, hinterlasst es mir bitte in den Kommentaren; womöglich werde ich es berücksichtigen können. Noch auf Halde habe ich zum Beispiel die neuen Album von Big Big Train, The Strokes und Spock's Beard. Das wird ein interessantes zweites Halbjahr.

Weiter geht es - wie gewohnt - im Dezember. Bis dann: Habt Spaß!
Ein intelligenter Mensch ist manchmal gezwungen, sich zu betrinken, um Zeit mit Narren zu verbringen.
(E. Hemingway)
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